Donnerstag, 2. Juli 2009

Flagge und Mentalität


Hanspeter Kindler:
Flagge und Mentalität
Ein symbolkundlicher Rundgang durch die kulturelle Vielfalt der Schweiz
Chaitanya-Verlag, Zürich, 2009
256 Seiten
ISBN: 3-9522787-9-3
Preis: CHF 29.50/Euro 19.00(D)/Euro 19.50(A) (im Buchhandel erhältlich).
Online: www.buchhaus.ch, www.books.ch, www.buch.ch, www.thalia.ch, www.buchhandel.de


Klappentext:

Dieses Buch nimmt den Leser mit auf eine geheimnisvolle, visionäre Reise durch die Schweiz. Die Szenerie bilden dabei jedoch nicht, wie üblich, Gletscher, Berge, Seen und malerische Stadtkerne. Der Autor erkundet, indem er die Symbolik der 26 Schweizer Kantonsflaggen plus die Schweizer
Landesfahne tiefenpsychologisch entschlüsselt, vielmehr die sich in den Farben, Formen und Figuren der Kantonsembleme offenbarenden, mythischen Hintergründe des so reichen Mosaiks an Mentalitäten und kulturellen Eigenarten der schweizerischen Landesgegenden.


Zum Inhalt:


Manch eine Flagge in der Schweiz besteht aus nicht mehr als zwei verschieden farbigen Flächen. Aber selbst da stellt sich die Frage, wie und warum es zu gerade diesen Farben gekommen ist, und warum der Trennstrich zwischen den beiden Flächen quer verläuft, waagrecht oder senkrecht. Zum Vergleich: Das kühle, satte Blau auf dem Kantonswappen der Luzerner im Kontrast mit dem Rot der Solothurner oder dem Schwarz der Freiburger. Ist auf dem Wappen auch noch ein Tier abgebildet oder ein Symbol, wird die Sache natürlich erst recht spannend: der Appenzeller Bär auf weissem Grund etwa im Vergleich mit dem Obwaldner Schlüssel auf rot-weissem Grund.

Der Astrologe, Handleser und Tarotkartendeuter Hanspeter Kindler hat in seinem neuen Buch Flagge und Mentalität den Versuch gewagt, die Flaggen der Schweizer Kantone, sowie die Landesfahne in astrologischer Manier symbolisch zu entschlüsseln.

Dies aus dem Ansatz heraus, dass bekanntlich den Grundbausteinen der Astrologie, den Planeten seit altersher Farben zugeordnet werden; mit dem kabbalistischen Lebensbaum gar auch Zahlen. So gehört das Rot beispielsweise zum feurigen und in der Mythologie blutrünstigen Krieger Mars. Währenddessen gibt sich der himmelsnah auf dem Olymp thronende Jupiter mittels dem Blau zu erkennen.

Weiter verwendet er in seinen vergnüglichen und durchaus überzeugenden Deutungsversuchen eine archetypische Seelenlandkarte, die sich mit ihren Eckpunkten Ich-Bereich links/Du-Bereich rechts; Bewusstseinssphäre oben/Gemütssphäre unten in jedem Horoskop durch die Hauptachsen AC-DC bzw. IC-MC genauso abbildet, wie in den chirologischen Gegensatzpaaren Daumen – Handkante, sowie Handballen – Finger. Dasselbe Grundmuster findet sich übrigens auch in der Grundsymbolik der Graphologie.
All diese Farben, Formen und Symbole, mit denen sich die 26 Schweizer Landesgegenden symbolisch zu erkennen geben, haben nicht nur ihre Geschichte, sie sagen dergestalt tiefenpsychologisch auch einiges aus über die Menschen, die sich unter den einzelnen Flaggen zusammengefunden haben. Mit seinem «symbolkundlichen Rundgang durch die kulturelle Vielfalt der Schweiz» hat der Astrologe und Tarotspezialist eine kleine Landeskunde vorgelegt, die zu überraschen und zu verblüffen weiss.
Gibt es so etwas wie den typischen Aargauer? Der Autor macht diese Persönlichkeit aus im Schriftsteller Hermann Burger, im mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Molekulargenetiker Werner Arber und im Fussballer Ciriaco Sforza. Die innere «Not» der Aargauer finde ihren sichtbaren Ausdruck in den drei weissen Wappensternen auf blauem Grund. In der Dreizahl der Sterne scheine der Saturn-Archetypus auf, was bedeute, dass der Aargauer gegenüber seinem Umfeld rasch einmal in der Rolle des Polizisten auf die Einhaltung von Recht und Ordnung poche. Und: «Dass die Sterne weiss sind, drückt weiter aus, dass der Aargauer damit die Gleichheit aller beteiligten Akteure herzustellen wünscht. Die nach unten zeigende Anordnung verleiht diesem Bestreben zusätzliche Verve, indem sie andeutet, dass Mitbürger, die glauben, grossspurig aus der Reihe tanzen zu dürfen, unzimperlich vom hohen Ross herunter geholt werden; und zwar mit einem Sheriffgehabe, wie die Verwendung von fünfstrahligen Sternen es eben verrät.»


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

Die hermetische Philosophie

Die einzelnen Deutungselemente

Die Symbolik der Zahlen

Die Symbolik des Raumes

Die Symbolik der Farben

Die Symbolik der Formen

Die Symbolik der Figuren

Archetypen, Zahlen und Farben

Aargau

Appenzell Innerrhoden

Appenzell Ausserrhoden

Basel-Stadt

Basel-Landschaft

Bern

Freiburg

Genf

Glarus

Graubünden

Jura

Luzern

Neuenburg

Nidwalden

Obwalden

Sankt Gallen

Schaffhausen

Schwyz

Schweizerische Landesfahne

Solothurn

Tessin

Thurgau

Uri

Waadt

Wallis

Zug

Zürich


Leseprobe:



Appenzell IR


Das Appenzeller Kantonskennzeichen zeigt einen schwarzen Bären auf weissem Grund. Der Bär bewegt sich dabei, auf seine Hinterbeine gestellt und mit seiner Mimik und Gestik Angriffsbe-reitschaft signalisierend, auf die Stangenseite der Flagge zu.

Das Emblem Appenzell Innerrhodens zeigt mit dem Bären also eine konkrete Figur im Vordergrund. Damit präsentiert sich die Appenzeller Mentalität konturiert, d.h. der Pflege und der Erhaltung einer unverwechselbaren Eigenart wird hier ein hoher Wert beigemessen. Wir können daraus auch auf eine wertkonservative Haltung der Appenzeller schliessen. Wer sich also dort niederlässt, muss sich darauf gefasst machen, dass er rasch einmal den einengenden Druck eines, aus starken gesellschaftlichen Zwängen geschnürten Korsetts fühlen wird.

Der einfarbige Hintergrund verrät den Appenzeller als grundsätzlich intuitiven Menschen, der eher seinem spontanen Bauchgefühl vertraut als gelehrten Theorien.

Dass der Flaggenhintergrund weiss ist, deutet darüber hinaus an, welch wichtige Rolle die Appenzeller dem Gleichheits-, sprich dem demokratischen Prinzip beimessen. Lebendiger Ausdruck davon ist die urdemokratische Institution der jeden April mit viel Folklore abgehaltenen Landsgemeinde. Dabei wird auf dem Landsgemeindeplatz des Hauptortes Appenzell im so genannten Ring per Handaufheben abgestimmt und gewählt. Als Stimmrechtsausweis gilt dabei der Degen oder das Militärbajonett.

Der durch das Weiss demonstrierten, grundsätzlichen Offenheit der Appenzeller, gepaart mit deren Sinn für das Eigensinnige, dürfte es auch zuzuschreiben sein, dass die Bevölkerung in den Religionswirren von Reformation und Gegenreformation bereits früh entschied, die einzelnen Gemeinden selber bestimmen zu lassen, welche Konfession bei ihnen gelten solle. Schliesslich trennten sich das katholische Innerrhoden und das reformierte Ausserrhoden friedlich, so dass hier, ganz im Gegensatz zu anderen Landesgegenden, ein aus konfessioneller Intoleranz entspringendes Blutvergiessen vermieden werden konnte.

Im Gegensatz zur Darstellung des Bären im Berner Banner, welcher auf allen Vieren ungerührt seinen Herrschaftsbereich abschreitet und dabei mit seiner mächtigen, zum Gebrüll herausgeschleuderten Zunge und seiner wilden Mimik demonstriert, wer hier Herr im Hause ist, finden wir den Appenzeller Bären auf seinen Hinterbeinen. Das an sich friedliebende Tier nimmt diese Pose immer dann ein, wenn es Gefahr wittert und die Bedrohung durch diese Demonstration seiner Körpergrösse verjagen will. Wie der Bär im Appenzeller Kennzeichen faucht das Wildtier dabei furchterregend und schlägt mit seinen Tatzen um sich.

Die Gestik und Mimik des Wappentiers lässt uns also eine, im Vergleich mit den Berner Hauptstädtern weitaus weniger selbstbewusste Mentalität des winzigen Völkleins am Alpsteingebirge erahnen. Die Appenzeller ver-raten mit ihrem aufrecht stehenden Bären vielmehr eine, gegenüber der vermuteten Gefahr und den Möglichkeiten von fremder Vereinnahmung stete Wachsamkeit und Abwehrbereitschaft.

Nichtsdestotrotz verrät der Bär als Wappentier, dass die Appenzeller von einem unbändigen Willen nach Selbstbestimmung beseelt sind. Galt doch der Bär, bis er im frühen Mittelalter vom Löwen abgelöst wurde, als König der Tiere.

Durch den Meister Petz drückt sich auch der eigensinnige Geist der Appenzeller aus. Dass das Wappentier der Flugseite der Flagge seinen Rücken zuweist und zudem schwarz gefärbt ist, steigert die Eigenwilligkeit gar zur ausgewachsenen Eigenbrötlerei.

Ein Beispiel: noch 1990 musste das Schweizerische Bundesgericht das halsstarrige Innerrhoder Volk per Verfassungsspruch zwingen, in ihrem Kanton das Frauenstimmrecht einzuführen; nachdem die Landsgemeinde dies zum wiederholten Male abgelehnt hatte.

Wer will, kann die eigenbrötlerische Mentalität der Appenzeller auch in der kantonstypischen Streusiedlungsweise mit weit voneinander entfernt auf den Hügeln ge-legenen, «Hämetli» genannten Einzelhöfen erkennen.

Das Appenzeller Wappentier zeichnet sich in der freien Wildbahn durch einen entsprechend einzelgängerischen Lebensstil aus. Es wird von Exemplaren berichtet, die zwanzig Jahre lang als Single lebten. Nur während der, vom Mai bis Juli dauernden Paarungszeit, sucht Meister Petz Gesellschaft. Zwischen November und März hält dieses als intelligent und lernfähig bekannte Tier hingegen Winterschlaf. Dabei setzt sein Organismus seine Lebenstätigkeiten bis hin zur Todesnähe herab. Aus diesem Grund und auch wegen seiner Fähigkeit, sich im Falle von Krankheiten und etwaiger Wunden durch instinktives Auffinden heilender Kräuter selber zu verarzten, schreibt der Volksglaube dem Bären schon seit frühen Zeiten Schamanenkräfte zu; also Zugang zu Heilwissen und die Fähigkeit des Zauberns.

Es verwundert deshalb nicht, dass das Appenzellerland schon seit langem wegen seiner grossen Dichte an Naturheilkundigen geschätzt wird. Kein geringerer als Paracelsus, der berühmteste Arzt des Mittelalters und Vorvater der Homöopathie, hielt sich oft und gerne in dieser Gegend auf. Er pries die Hügellandschaft vor dem Säntis als «mit Heilkraft erfüllt».

Eine Schattenseite dieses, durch den Appenzeller Bä-ren symbolisierten Einzelgängertums, findet sich in der Tatsache, dass so mancher Appenzeller und manche Appenzellerin offenbar dazu tendieren, Probleme so lange in sich hinein zu fressen, bis es definitiv schädlich wird. Der idyllisch anzuschauende und so geschmackvoll zur heilen Welt zurecht gebüschelte Kanton überrascht nämlich mit einer der weltweit höchsten Selbstmordraten.

Wie bereits erwähnt, lässt die schwarze Farbe des Wappentiers keinen Zweifel offen, dass die Appenzeller einen konservativen, seine Traditionen gut schützenden Kanton bilden.

Die weisse Farbe im Hintergrund deutet indessen an, dass man sich am Alpstein Neuerungen gegenüber grund-sätzlich offen zeigt. Diese werden daraufhin aber mehr als einmal auf ihre Tauglichkeit für die Innerrhoder Eigenart geprüft und schliesslich doch nur zögerlich eingelassen.

Dass sich der Bär der Stangenseite der Flagge zuwendet, demonstriert symbolisch Selbstbezogenheit insofern, als dass sich die Appenzeller als ein Völkchen erweisen, dass am liebsten unter sich bleibt und das «fremden Fötzeln», wenn sie denn nicht als Touristen Devisen in den Kanton bringen, hartnäckig die kalte Schulter zeigt.

Den durch die Gestik und Mimik des Bären bereits ein-gangs dieses Kapitels erwähnten Wehrwillen des vielfach als sonderbar belächelten Volkes unterstreichen die Tatzen des Bären mit ihren je fünf roten Krallen überdeutlich. Erscheint doch damit der Archetyp von Kriegsgott Mars auf gleich dreifache Weise: mit den Krallen, der Farbe Rot, sowie der Zahl Fünf.

Kein Zufall also, dass sich die Appenzeller 1405 in der Schlacht am Stoss ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Kloster Sankt Gallen erstritten - gegen eine zehnfache Übermacht wohlbemerkt, des von österreichischen Kontingenten unterstützten Truppen des Abtes Kuno. Die Appenzeller rettete dabei ihre Geländekenntnis, aber eben auch der Umstand, dass der Gegner die Kampfkraft dieser wehrhaften Bauern gründlich unterschätzt hatte.

Dass mit den wehrhaften Appenzellern, gerade wenn sie sich in ihrer Integrität verletzt fühlen, nicht gut Kirschen essen ist, zeigt eine Geschichte, bei der es um das rote, eregierte Glied des Appenzeller Bären ging. Wegen des Geschlechtsteils, das uns symbolisch von Zeugungskraft, Produktivität und schöpferischem Potential der Appenzeller berichtet, kam es im Jahre 1578 nämlich beinahe zum Krieg gegen Sankt Gallen. Die Appenzeller fühlten sich damals in ihrem Stolz verletzt, weil Leonhard Straub, der erste Buchdrucker Sankt Gallens einen Kalender druckte, der die Wappen vieler Orte trug. Die Appenzeller entdeckten, dass ihrem Bären das Zeichen der Mannheit fehlte; man konnte ihn ebenso gut für eine Bärin halten. Weil es ohnehin ständig Streitereien zwischen Appenzell und Sankt Gallen gab, sahen die Appenzeller darin eine absichtliche Beleidigung. Als Verhandlungen kein Erfolg beschieden war und schliesslich ein Kriegszug drohte, musste der Drucker die Seiten des Kalenders mit der Bärin vernichten und die Appenzeller so beruhigen.

Zuletzt noch zur ebenfalls roten, ausgestreckten Zunge des Wappentiers. Sie weist auf Begierde und unerschrockenes Streben nach materiellen Gütern und weltlichem Erfolg hin.